Hallo ich bin Fran Niclas und das hier ist mein Blog

Dienstag, 16. Juli 2013

Überleben nicht ausgeschlossen

"Machen Sie etwas ruhiger Fran. Reduzieren Sie den Stress und überdenken Sie ihr Rauchverhalten."

Stress treibt mich an, macht mich produktiv und kreativ. Ich reduziere meinen Stress schon selbst durch rauchen und wenn ich mal nicht rauchen kann, dann stresst mich das. Wenn ich den Stress und das Rauchen nicht mehr habe, was bleibt dann noch von mir? Vermutlich nicht mehr als ein Stück Formfleisch in der großen Konservendose der Mittelmäßigkeit.


Es ist Montag und ich sitze in einem Meeting. Es ist eines dieser Montagsmeetings wo man noch mal das erörtert, was man am Freitag im Abschlussmeeting festgehalten hat und feststellt das sich zwischen Freitag und Montag nicht viel getan hat.

Während mein Blick dem Szenario entrückt und meine Ohren das plagative Anpeitschen des Redners als dumpfes Rauschen wahrnehmen vertieft sich mein Körper in eine Art Trancè in der versucht einen schlafähnlichen Zustand zu erreichen.
Mein ganzer Körper? Nein nicht ganz, das kleine gallische Dorf namens Herz leistete erbitterten Widerstand, schrieb fleißig seinen eigenen Bullshitbingozettel, spitzte die atmosphärischen Antennen und hielt den Stift im Anschlag.

die Prognosen....<rauschen>...mit Sicherheit....<rauschen>...planen müssen...<rauschen>...überleben...<rauschen>...Zuversicht

B I N G O

Doch es gab nicht die übliche heimliche Beckerfaust unter dem Konferenztisch gepaart mit dem zufriedenen Zurücklehnen in den Stuhl, denn mein Körper war ja noch in Trance und weil das Herz keinen Mund hat mit dem es reden kann setzt es die letzte Waffe ein die ihm geblieben ist, Emotionen.
Ich weiß nicht wie lange mir die Tränen über die Wangen liefen bevor es jemand mitbekommen hat. Ich spürte das das Rauschen in meinen Ohren verstummte, normalerweise das untrügliche Anzeichen dafür das das Meeting zu Ende ist.

"Hey Fran,alles in Ordnung mit dir?" 

"Ja na klar, ich vertrag nur die Klimaanlage nicht"
"Bist du sicher?"

"Ja,wieso?"

"Weil dieser Raum keine Klimaanlage hat".

Ich blicke in fragende Gesichter, packe meine Sachen zusammen und verlasse den Raum wortlos.

"Machen Sie etwas ruhiger Fran. Reduzieren Sie den Stress und überdenken Sie ihr Rauchverhalten. Versuchen Sie einfach bewusster zu leben, dann besteht auch ohne Operation eine reelle Chance ein langes Leben zuführen."

"Bewusster Leben? Ist das dieses 32-mal kauen vor dem runterschlucken?" 

Manche Augenblicke kommen uns nur deswegen länger vor weil unser Blick und unser Herz ihnen noch hinterherschauen. Ich freue mich über einen Cent den ich auf der Straße finde, wenn ich schaukel spüre ich noch immer das Kribbeln in meinem Bauch. Wenn ich eine Wiese sehe, muss ich barfuß darüber laufen und wenn ich gute Musik im Ohr habe dann tanze ich, egal wo ich bin.

Wenn das auch "bewusster Leben" ist, dann ist das Überleben wahrhaftig nicht ausgeschlossen.

Donnerstag, 4. Juli 2013

Die Schönheit der Chance

Es gibt Gerüche die wecken sofort Erinnerungen. Wenn ich zum Beispiel Zimt rieche denke ich immer daran wie ich meine Oma als kleines Kind in ihrer Backstube besucht habe. Bei dem Geruch von Leder erinnere mich mich oft an den allerersten Sattel den ich besaß. Ich habe nie in meinem Leben ein Pferd geritten. Ich habe festgestellt das ich Angst vor Pferden habe, aber ich liebe immer noch Sättel.

Leider kann man nicht alle Gerüche mit positiven Erinnerungen verbinden, weil sie eben ganz speziell sind. Der Geruch von Krankenhäusern zum Beispiel erinnert mich nur an eine Sache: Krankenhäuser. Es ist von jeher diese Mischung aus Desinfektionsmittel, Crocs-Sohlen-Gummiabrieb und Großkantinenessen die mich innerlich erschaudern lässt. 

Magnetresonanztomographie. Ich liebe solche vielsilbigen Wörter, das schönste mir bekannte vielsilbige Wort ist aber immer noch достопримечательность
(Dostoprimelschatjestnoch) zu deutsch Sehenswürdigkeit und gleichzeitig das einzige russische Wort was ich noch in kyrillischer Schreibweise beherrsche.
Worte können auch Erinnerungen vorrufen, aber nicht jetzt. Nicht jetzt wo ich hier vor dem MRT stehe.

Die Röhre erinnert mich an eine Mischung aus Flugzeugturbine und Warp-Kern der Enterprise. Je länger ich auf diese Maschine starre um so mehr kommen mir Zweifel ob mein Körper dort wirklich hinein in dieses 60 cm große Loch passt. Innerlich hoffe ich sogar das mein Körper jetzt ohne ersichtlichen Grund anschwillt damit er nicht hinein passt.

Mit mir im Raum ist der durchführende Assistenzarzt. Er heißt Charly. Zumindest stelle ich mir vor das er Charly heißt. Ich gehe gerne durch volle Fußgängerzonen, beobachte dabei einzelne Menschen ganz gezielt und überlege mir welchen Namen sie wohl haben.

Ich lege mich in Unterwäsche auf die Auflage, sie fühlt sich kalt an, die kleinen Härchen an meinen Armen stehen in Hab-Acht-Stellung. Vom Kopf her ist es unangenehm, der Nacken verspannt sich, man legt mir noch ein kleines Kissen unter den Kopf, aber mehr geht nicht. Charly gibt mir eine Art Ball in die linke Hand, den ich wenn irgendetwas ist, drücken soll. Neugierig wie kleines Kind drücke ich direkt drauf - es passiert nichts.

"Sie müssen fester zudrücken" sagt der Assistentsarzt. " Das letzte Mal das mir ein Mann gesagt hat das ich fester zudrücken soll während ich einen seiner Bälle in der Hand halte ist schon ein paar Jahre her" antworte ich. Er lacht, ich nicht. 

Dann werde ich langsam in die Röhre hinein geschoben. Die Fahrt kommt mir wie eine Ewigkeit vor und für einem Moment kann ich nicht unterscheiden ob die lauten Klopfgeräusche von meinem Herz oder vom MRT kommen. Während der Messungen herrscht in der Röhre ein ziemlicher Radau unterschiedlicher Intensität. Mal klingt es so wie eine Alarmsirene in Science-Fiction-Filmen, mal wie Musik der australischen Aborigines dazwischen herrschen immer mal kurze Pausen, in denen ich mich bewegen darf. "Sie haben gewackelt." Kunststück, die Liege hat angefangen zu vibrieren. Ich versuche meinen Körper mit aller Kraft starr werden zu lassen.

Nie im Leben zuvor haben sich 15 Minuten so lang angefühlt. Ich bin froh das ich die Röhre jetzt verlassen kann. Ich gehe zurück in die Kabine und ziehe meine Klamotten wieder an. Endlich wieder ein Stück Vertrautheit.

Der Weg aus dem Untersuchungsraum zurück vor die Pforten des Krankenhauses zieht sich wie Rolltreppe die man in die verkehrte Richtung benutzt.

"Hallo Welt und Goodbye Krankenhausgeruch" rufen meine Bronchien. Ich belohne sie für Ihre Tapferkeit mit ein paar tiefen Zügen an der Zigarette. Ich setze die Kopfhörer auf, schalte die Musik ein bewege mich tanzend davon zu den Zeilen von Tomte:

Die Schönheit der Chance, 
Dass wir unser Leben lieben 
So spät es auch ist... 
Das ist nicht die Sonne die unter geht, 
Sondern die Erde die sich dreht

Montag, 1. Juli 2013

Wenn das Leben sich beeilt

Hallo, ich heiße Fran Niclas und das hier ist mein Blog.


Kennen Sie das auch? Sie suchen eigentlich nur nach einem bestimmten Buch, gehen auf den Dachboden und wühlen in Kisten und Kästen und plötzlich kommt Ihnen ein Stapel Jugenderinnerungen entgegen. Das Fahrrad mit den Bändern am Lenker und dem weißen Sattel, Opas Gitarre die immer versucht hat mit seinen kleinen Kinderhänden zu spielen aber es doch nie wirklich geschafft hat.

Ich liebe meine Erinnerungen. Eines Tages werden sie das Einzige sein, was mir geblieben ist und irgendwann werden sie auch das Einzige sein was von mir geblieben ist.

Ich weiß es zu schätzen das mir mein Gedächtnis wie auf Kommando nur die guten Erinnerung präsentiert und die Schlechten nur gelegentlich in verblasster abgeschwächter Form. "Das ist ein Schutzmechanismus des Gehirns" habe ich in der Schule gelernt. Ein Mechanismus der bei Rückblicken immer zu der Aussage führt: "Wo ist bloß die ganze Zeit geblieben". Dann hält man kurz inne, richtet seinen Blick nach vorn und ist bisweilen erleichtert das man ja noch so viele lebenswerte Jahre vor sich hat.


Weil die Zeit sich so beeilt 
und so wenig bleibt von dem was einmal war
Und weil das Licht so leicht zerbricht
sehen wir die Dinge manchmal selten sonderbar 
(Olli Schulz)


Als ich heute morgen aufgewacht bin war mir nach weinen zu mute. Aber ich konnte nicht, ich hatte schon alle Tränen aufgebraucht. in der Nacht und dem Tag  davor und dem Tag davor... 

10:47 an sich eine gewöhnliche Uhrzeit wie man sie jeden Tag antrifft und der man keine größere Bedeutung beimisst. Doch für mich hat sich Freitag um 10:47 alles verändert.

Ich habe ein Aneurysma. An (m)einer Hirnschlagader. Arteria communicans anterior wie der Lateiner zu sagen pflegt. Im Nachhinein mutet es schon dreist makaber an das man ausgerechnet diese tote Sprache für diese lebenswichtigen Bestandteile verwendet.



Copyright: Klinikum-Dessau.de

Eigentlich bin ich sehr einfach gestrickt. Was ich denke das sage ich und was ich fühle zeige ich. Doch im Moment kann ich weder sagen was ich denke noch zeigen was ich fühle. Ja okay da ist diese Traurigkeit, aber sie fühlt sich eher wie ein nasser Pelzmantel an der schwer auf meinen Schultern liegt und mich lähmt mit seinem Gewicht und betäubt mit seinem modrigen Geruch...

Ich hatte mal einen Plan für mein Leben, in manchen Bereichen zwar nur schwach umrissen, aber immerhin. Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von über 80 Jahren ist es wohl durchaus legitim sich ein paar Gedanken darüber zu machen was man noch alles erreichen, bereisen, erleben will. Macht doch jeder...

Als kleines Kind habe ich mir eine Vorspultaste für meinen Leben gewünscht weil ich möglichst schnell Erwachsen werden wollte. Offenbar gibt es diese Taste tatsächlich und irgendjemand hat drauf gedrückt, am Freitag um 10:47.

Wenn das Leben sich so beeilt, ist es schwierig nicht gehetzt zu wirken und Altersvorsorge wird zu Nelson in Menschengestalt und pariert alle meine Erwartungen mit einem alles zerschmetternden "HA HA".


Whatsapp Nachricht:

" Hey Franny hast du Lust morgen mit mir zu frühstücken?"
"Warum nicht lieber heute?"

*Klank Klank* macht das Benzinfeuerzeug während ich es öffne, gefolgt von einem leisen "Pfump" als die Flamme sich empor hebt. Ich tauche die Zigarettenspitze in die Flamme und vernehme das vertraute Knistern des glühenden Tabaks. Meine Hand umgreift die Türklinke und ich schreite durch die Tür raus in den Tag.

Das Leben steht nicht still und hat Erwartungen an mich, ebenso wie die Personen die in meinem Leben vorkommen.